- Crunchtime
- Posts
- Journalistische Führungskräfte im Fokus
Journalistische Führungskräfte im Fokus
Vor welchen Herausforderungen sie stehen – und welche Strategien es gibt.
Verbleibende Lesezeit in Minuten
Hallo liebe Medienmacher:innen,
liebe New Work Enthusiast:innen,
liebe „Irgendwas mit Medien“-Interessierte,
liebe alle,
in den vergangenen Wochen war vor allen Dingen in einem Team immer wieder die Rede von rollenbasiertem Zusammenspiel: der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer.
Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte sich im Vorfeld die Klärung der jeweiligen Rollen und Erwartungen mit jedem Spieler zur Aufgabe gemacht und sich dazu auch Unterstützung von Basketball-Nationalcoach Gordon Herbert geholt. Der hatte es mit diesem Ansatz bekanntermaßen geschafft, eine außergewöhnliche Mannschaft zu formen und mit ihr die Weltmeisterschaft zu gewinnen.
Auch bei den Fußballern war – trotz des tragischen und möglicherweise unverdienten Ausscheidens aus dem Turnier geben Spanien – zu sehen, wie ein Team kontinuierlich zusammenwachsen und sich gleichzeitig unterstützen kann.
Dass Nagelsmann auch über die Niederlage hinaus eine großartige Führungskraft zu sein scheint, zeigte sich meiner Meinung nach erneut in der Abschlusspressekonferenz. Die war geprägt von Dankbarkeit, Authentizität, sichtbaren Emotionen und dem Blick auf das große (gesellschaftliche) Ganze. Chapeau!
Zurück zur Medienwelt: In der heutigen Crunchtime-Ausgabe geht es ebenfalls um (journalistische) Führungskräfte. Dazu habe ich mir heute Unterstützung von der tollen Kollegin und Coachin Bianca Hoffmann geholt und mit ihr darüber gesprochen, welche Herausforderungen und möglichen Strategien und Lösungen sie sieht.
Let’s go!
Liebe Grüße
Benni
P.S.: Danke für euer Verständnis, dass ich im vergangenen Monat keinen Newsletter verschickt habe. Ich freue mich weiterhin über jede:n Crunchtime-Leser:in.
What´s the play today?
Neue Herausforderungen für Führungskräfte
Foto: Shane McMillan
Bianca Hoffmann ist Business Coach für journalistische Führungskräfte und begleitet und berät Medienunternehmen bei der digitalen Transformation. Zuletzt leitete sie das Regional-Ressort bei t-online mit 35 Mitarbeitenden und entwickelte es strategisch weiter. Weitere Informationen zu ihrer Arbeit findet ihr hier.
Bianca, du hast auf deinem LinkedIn-Profil folgende These geäußert: Ob eine Führungskraft im Journalismus gut ist oder nicht, misst sich nicht daran, was für eine großartige Journalistin sie ist oder war. Was macht denn eine gute Führungskraft aus?
Ich glaube, eine gute Führungskraft zeichnet sich heutzutage abhängig davon aus, wie weit sie sich zurücknehmen und an die Seitenlinie stellen kann, um von dort aus Mitarbeiter:innen zum Glänzen zu bringen.
Weiterhin stellst du fest, dass in vielen Medienhäusern trotzdem noch immer die besten Journalist:innen befördert werden und nicht diejenigen, die das beste Potenzial zur Führungskraft haben. Woran machst du das fest und wie könnte es vielleicht anders laufen?
Aus anderen Branchen weiß ich, dass dort anders geschaut wird, wer sich für Führungsrollen und strategische Aufgaben besonders eignet. Dieser Prozess wird dort häufig eng von den Personalabteilungen begleitet. Im Journalismus ist es leider nach wie vor so, dass aus meiner Sicht zu wenig mit den Personaler:innen zusammengearbeitet und auf die Entwicklung und das Potenzial von Mitarbeiter:innen geguckt wird. Stattdessen wird nach wie vor darauf geachtet, wer durch gute Geschichten, Recherchen oder Ideen im Unternehmen am sichtbarsten ist oder sich gut mit dem Chefredakteur versteht. Buddy-Netzwerke spielen hier häufig eine große Rolle. Dadurch bleiben Mitarbeiter:innen, die großartige Führungskräfte sein könnten, oft auf der Strecke.
Aus beidem leiten sich deiner Feststellung nach große Herausforderungen für journalistische Führungskräfte ab. Welche sind das?
Ich sehe aktuell für journalistische Führungskräfte vor allen Dingen zwei große Herausforderungen, aus denen sich gegebenenfalls weitere ableiten.
Zum einen sind alle von der digitalen Transformation betroffen: Alte, bewährte Arbeitsweisen funktionieren nicht mehr, die Relevanzkriterien haben sich geändert und „plötzlich“ müssen anhand zahlreicher und neuer Kennzahlen Ziele erreicht werden, die es vorher so nicht gab. Wer es vorher vielleicht schon „nicht so mit Mathe und Zahlen“ hatte, wird hier Schwierigkeiten bekommen, denn die Arbeitsweisen müssen radikal geändert werden.
Zum anderen stehen journalistische Führungskräfte unter einem enormen Druck von unterschiedlichen Seiten und Kanälen: die angesprochene digitale Transformation mit all ihren Auswirkungen, Skeptizismus und Medienvermeidung von Leser:innen, Beschimpfungen und Bedrohungen und zudem ein massiver wirtschaftlicher Druck. Bei vielen Führungskräften führt das bereits zu Problemen wie Burn-out oder schlicht einfach dazu, dass sie die Branche wechseln. Diese Entwicklung finde ich sehr schade.
Welche Lösungen und Strategien siehst du für diese Herausforderungen? Was können journalistische Führungskräfte konkret tun, um etwa mit dem angesprochenen Druck umzugehen?
Ich glaube, hier gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Wichtig ist, denke ich, für sich selbst zu sorgen und Ausgleiche abseits der Arbeit zu schaffen. Für manche ist das Sport, für andere Yoga, Meditation, Zeit mit der Familie oder ein Waldspaziergang mit dem Hund. Auch kann es dabei hilfreich sein, den persönlichen Einflussbereich klar abzustecken und sich von allem darüber hinaus abzugrenzen.
Ich sehe hier aber auch die Unternehmen in der Pflicht, gemeinsam mit Mitarbeiter:innen Lösungen und Strategien zu entwickeln und diese zu unterstützen. Interne oder externe Coachings können helfen, die Perspektive zu wechseln und gezielt Strategien für Situationen zu erarbeiten. Häufig ist es ein strukturelles Problem. Hier gilt es für Medienunternehmen Führung grundsätzlich anders zu denken und entsprechende Talentpools aufzubauen, Frauennetzwerke zu schaffen und auch beim Onboarding und der Begleitung von Führungskräften neue Wege zu gehen.
In anderen Branchen gibt es Konzepte, die Führung in Fachlichkeit und (Team-)Entwicklung aufteilen. Was hältst du davon und könnte dieser Ansatz auch für Medienhäuser hilfreich sein?
Es gibt Medienunternehmen, die ihre Zusammenarbeit anders strukturieren und etwa rollenbasiert arbeiten oder die klassische Chefredaktions-Hierarchie aufgelöst haben. Diese Ansätze finde ich sehr spannend, bin mir aber unsicher, ob sie auf eine klassische Nachrichtenredaktion und ihre Schnelllebigkeit übertragbar sind. Ich denke, der beste Weg ist es, neue Konzepte unbedingt auszuprobieren. Wichtig ist dabei, dass solche Versuche gut vorbereitet werden, sodass niemand zurückbleibt. Ich würde mich sehr darüber freuen, in Zukunft mehr Pilotprojekte dieser Art zu sehen.
Timeout
Welche Strategien hast du entwickelt, um mit Druck im Job umzugehen?
Was ist deiner Meinung nach ein super Ausgleich zum Arbeitsalltag?
Schreibt mir gerne eure Ideen per Mail.
Love for the game
Der Spiegel und die Deutschlandstiftung Integration vergeben für 2025 wieder Stipendien an Nachwuchsjournalisten mit Migrationsbiografie zwischen 21 und 29 Jahren. Mehr dazu hier.
Correctiv veranstaltet am am 11. Juli 2024 zwischen 17 und 18 Uhr einen virtuellen Know-Lunch, der sich der Frage widmet, wie lokale Medien eine Marke aufbauen können, mit der die Community gerne agiert? Weitere Details und die Anmeldung, gibt es auf dieser Seite.
Bisherige Ausgaben
🏋🏽♀️ Trainiert eure Basics!
👷🏻♀️ Preparations for the win
Wie gefällt dir Crunchtime?
💍💍💍 Yay!
💍💍 Ok
💍 Nay!
Crunchtime-Moments
In der NBA ist gerade nicht viel los: Boston ist Meister. Auf internationaler Ebene kann der Basketball-Weltmeister Deutschland vor Olympia auch noch nicht viel vorweisen: Das Testpiel gegen Frankreich am Samstag in Köln ging mit 66:90 verloren. Daher schauen wir nochmal in die Crunchtime der aktuell bestimmenden Sportart Fußball – auch wenn es vielleicht wehtut.