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Zwei tolle Chancen zur Verbesserung

Warum sich Medienunternehmen 2025 mehr mit sich selbst auseinandersetzen sollten.

Verbleibende Lesezeit in Minuten

Hallo liebe Medienmacher:innen,
liebe New Work Enthusiast:innen,
liebe „Irgendwas mit Medien“-Interessierte,
liebe alle,

ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gestartet! Das ist inzwischen ja schon ein paar Tage alt und hat bereits in der kurzen Zeit gezeigt, dass es ein herausforderndes Jahr wird.

Ich habe mir in den vergangenen Tagen wieder Gedanken darüber gemacht, welche New-Work-Themen in den kommenden Monaten in Medienunternehmen eine größere Rolle spielen werden. Dabei ist mir aufgefallen, dass einige Themen aus 2024 nach wie vor relevant bleiben (Diskussion über Zusammenarbeit und Arbeitsort, Nutzung und Weiterentwicklung von KI, Mentale Gesundheit von Mitarbeiter:innen).

Zudem hat Konrad Weber sich mehr als 30 Jahresausblicke und Trend-Reports für 2025 ausführlich angeschaut und 8 wichtige Trends für die Medien- und Kommunikationsbranche destilliert. Super spannend!

Aufgrund verschiedener Entwicklungen in den vergangenen Wochen wage ich diesmal nur eine einzige Prognose:

Medienunternehmen müssen sich 2025 deutlich mehr mit sich selbst auseinandersetzen.

Wie ich darauf komme, erkläre ich in der heutigen Crunchtime-Ausgabe. Wenn ihr anderer Meinung seid oder weitere wichtige Themen seht, dann meldet euch gerne bei mir. 

Schön, dass ihr dabei seid. Und jetzt let’s go!

Liebe Grüße
Benni

What's the play today?

Problematische Plattformen und Fehlerkultur

Medienunternehmen müssen sich 2025 deutlich mehr mit sich selbst auseinandersetzen.

Grund 1: How to Diskussionskultur?

Warum das wichtig ist: Seit der Twitter-Übernahme durch Elon Musk hat sich der Kurznachrichtendienst „X“ radikal verändert: unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit darf inzwischen wieder so ziemlich alles veröffentlicht werden von politischer Propaganda, über Beleidigungen bis hin zu sexuellen Inhalten und offensichtlichen Falschinformationen. Faktenchecks und engmaschige Moderation von Beiträgen? Who cares. Kann die Community sich, wenn sie denn will, ja selbst drum kümmern.

Hinzu kommen Musks höchst problematische Aussagen, weltweite „Wahlempfehlungen“ und seine Verbandelung mit dem heute erneut eingeführten US-Präsidenten Donald Trump. Den nicht durchschaubaren Algorithmus und welche Beiträge wie viel Sichtbarkeit erhalten nicht zu vergessen. Sieht so eine Plattform aus, auf der Medienunternehmen ihre Inhalte veröffentlichen und mit Nutzerinnen in den Austausch treten wollen und können? Eher nicht. Nicht ohne Grund verlassen zunehmend Nutzer:innen die Plattform, darunter viele Institutionen und Politiker:innen.

Aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten.

Genau! Facebook von Meta beispielsweise. Doch wie Mark Zuckerberg am 7. Januar in einem Video bekanntgegeben hat, wird sich das Soziale Netzwerk ebenfalls in eine deutlich andere Richtung verändern: weniger Moderation und Kontrolle von Inhalten, keine Faktenchecks mehr, stattdessen „Community Notes“, Regeln für Beiträge über „Immigration und Gender“ werden aufgehoben. Klingt nach einer Kopie von „X“ und gilt bis auf Weiteres auch erstmal nur in den Vereinigten Staaten. Wozu sich die Plattform entwickeln wird, ist dennoch recht wahrscheinlich. Es bleibt nur noch abzuwarten, welche Änderungen Facebook in der EU vornehmen darf und wird. Doch dann stellt sich die für Medienunternehmen die gleiche Frage: Ist es sinnvoll, die eigenen qualitativen Inhalte gleichberechtigt neben Falschinformationen, Beleidigungen und politischer Propaganda zu publizieren? Eher schwierig.

Und weiter: Die genannten Entwicklungen bieten auch Chancen. Einerseits etablieren sich alternative Plattformen, die Wert auf eine gute und moderierte Diskussionskultur legen und auch in der Datennutzung dezentrale Ansätze in den Vordergrund stellen (Bluesky, Mastodon et al). Andererseits werden neue dazukommen oder weiterentwickelt werden (Instagram-Alternativen wie Pixelfed oder Flashes). Zuletzt bietet sich für Medienunternehmen die Gelegenheit, ihre eigene Communityarbeit zu überdenken und in eigenen Produkten Umfelder zu schaffen, in denen Nutzer:innen nach Maßgaben der Meinungsfreiheit UND nach klaren Regeln in den Austausch gehen können und dort gerne Zeit verbringen. Vielleicht erleben wir in diesem Jahr ja nach dem E-Mail-Revival in Newslettern nun die Wiederauferstehung von Blogs, Foren und Tauschbörsen?

Grund 2: How to Fehlerkultur?

Warum das wichtig ist: In den vergangenen Wochen gab es zwei unterschiedliche Fälle, in denen Medienunternehmen für verschiedene Aktionen öffentlich deutlich kritisiert worden sind. Und auch wenn es sich um zwei völlig unterschiedliche Unternehmen handelt und inhaltlich keinerlei Zusammenhang besteht, verbindet beide die Frage, wie Medien mit potenziellen Fehlern umgehen.

Im ersten Fall hatte die ARD kurz vor Weihnachten bekannt gegeben, dass der bisher vor allem als Pro-Sieben-Reportagenautor und Podcaster bekannte Journalist Thilo Mischke die Moderation der Sendung „TTT – Titel, Thesen, Temperamente“ übernehmen werde. Es dauerte nicht lange, bis die beiden Journalist:innen Annika Brockschmidt und Rebekka Endlerin gemeinsam mit mehreren Kolleg:innen in einer Ausgabe des Podcasts „Feminist Shelf Control“ Kritik an der Berufung Mischkes für diese Position äußerten. Dazu legten die Journalist:innen viele verschiedene Argumente, Begründungen und Fragen an die Medienanstalt vor. In einem ersten Statement der „ttt“-Redaktion hieß es daraufhin zunächst „Wir hören euch. (…) Wir nehmen eure Kritik ernst. (…) Wir wollen das Thema aufarbeiten und uns gründlich mit den geäußerten Sorgen auseinandersetzen.“

Das klang zunächst nach einem nachvollziehbaren Umgang mit der Kritik und dem möglichen „Fehler“ in der Berufung des neuen Moderators. Dann passierte erstmal nichts. Wenige Tage später bekräftigte die ARD ihre Entscheidung: Thilo Mischke habe sich mehrfach öffentlich der Kritik gestellt und sich für seine Ausdrucksweise [in seinem Buch, Anmerkung Crunchtime] entschuldigt. Und weiter: „Wir freuen uns jetzt auf Thilo Mischke und seine Sicht auf Kultur“.

Wie die ARD zu dieser erneuten Entscheidung gekommen war und was mit den zahlreichen im Raum stehenden Fragen war, blieb offen. Daraufhin sprachen sich mehr als 100 Kulturschaffende in einem offenen Brief gegen eine Zusammenarbeit mit Mischke als „ttt“-Moderator aus. Zwei Tage später dann die Kehrtwende: Die ARD gab bekannt, von Thilo Mischke als neuem „ttt“-Moderator „abzusehen“. Die Begründung klingt allerdings alles andere als nach „Wir hören euch“: „Thilo Mischke und die ARD sind sich einig darin, dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von "ttt" und Thilo Mischke abzuwenden.“ Auf die ursprüngliche Kritik gab es weiterhin keine Reaktion. Im Gegenteil: Infolgedessen drehte sich an vielen Stellen die Diskussion und wendete sich gegen diejenigen, die Kritik vorgebracht hatten.

Im anderen Fall hatte das „Katapult“-Magazin mit einer umstrittenen Aktion Aufsehen erregt: Das Magazin kündigte an, gegen Spenden mindestens 544.000 „echte“ AfD-Wahlprogramme mit 40 unkommentierten Zitaten der Partei drucken zu lassen. Ziel der Aktion sei es laut Verleger Benjamin Fredrich, auf die Gefahr der AfD hinzuweisen, ohne dabei belehrend zu sein. In einem dazugehörigen Instagram-Post, der inzwischen gelöscht wurde, hieß es wörtlich nur: „Wir drucken 500.000 echte AfD-Wahlprogramme“. Auch hier dauerte es nicht lange bis zunehmend Kritik aufkam. Am Samstag meldete sich Fredrich auf der Website des Magazins erneut zu Wort: In einem Editorial mit der Überschrift „KATAPULT wird kritisiert und ändert Vorgehen“ geht der Verleger ausführlich auf die Kritik ein. Darin ist zu lesen wie das Magazin sich mit der Kritik auseinandergesetzt habe und dass mithilfe der Einschätzungen von Expert:innen nun das Vorgehen geändert werde.

Und weiter: Fehler passieren. Überall und somit auch in Medienunternehmen. Zu oft bleibt dabei bislang intern wie extern noch unklar, warum welche Entscheidungen getroffen wurden. Ein Grund dafür ist, dass in vielen Redaktionen als erstes oder einziges gefragt wird, WER einen Fehler gemacht oder eine Entscheidung getroffen hat und nicht WARUM und WIE es dazu gekommen ist. Hier gibt es an vielen Stellen noch die Chance für Verbesserungen. Und unter anderem deshalb ist 2025 das Jahr, in dem sich Medienunternehmen deutlich mehr mit sich selbst auseinandersetzen sollten.

Timeout

Kurze Pause, zwei Fragen an dich:

  1. Was sagst du zu den Entwicklungen bei X und Facebook? Welche Plattformen nutzt du gerne und warum?

  2. Wie gehst du und dein Team mit Fehlern um? Habt ihr spezielle Methoden oder Ansätze, die euch dabei helfen? Bist du vielleicht Expert:in im Umgang mit Fehlern?

Erzähl mir gerne davon oder lass uns zusammen in einer der folgenden Crunchtime-Ausgaben darüber sprechen.

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Bisherige Ausgaben

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Crunchtime-Moments

Da im neuen Jahr bislang noch nicht viel Außergewöhnliches passiert ist, heute mal eine etwas andere Crunchtime-Zusammenstellung. Enjoy!